(Ein Smartphone erzählt vom Pfadiwochenende)

Ist doch ganz klar, dass ich am vergangenen Wochenende (23. – 25.11.2012) auch mit nach Ostheim (bei Westheim) durfte. Ich bin das Smartphone der Wendelsteiner Pfadis und ohne mich geht nix. Schon bevor wir uns am Freitagabend alle auf dem Kichparkplatz am Jugendhaus trafen, durfte ich das komplette „Wellnessprogramm“ genießen. Mein Akku wurde bereits den gesamten Nachmittag über geladen, das Retina-Display geputzt und die Glaseinlagen meines edlen Aluminiumgehäuses wurden auf Hochglanz poliert.

Kurz vor der Abfahrt wurde ich liebevoll in die mit Samt ausgelegte Hülle geschoben und das Wochenende konnte beginnen. Im Haus der evangelischen Jugend Ostheim angekommen fiel es mir sehr schwer, in gewohnter Weise meinen Standort an den Hersteller zu senden, denn die Netzdichte hatte hier im schönen Gunzenhauser Hinterland wohl einige Lücken. Nachdem sich meine Besitzer im Schlafraum eingerichtet und mit Gyros gestärkt hatten, wurde uns die Aufgabe gestellt ein Zimmer einzurichten. Der auf einem Plakat aufgemalte Grundriss sollte mit ausgeschnittenen Gegenständen aus alten Prospekten und Katalogen bestückt werden. Wer bastelt denn im Jahr 2012 noch mit Papier, Schere und Kleber, wenn es doch die Einrichtungs-App eines allseits bekannten schwedischen Einrichtungshauses unter der Kategorie „Lifestyle“ bereits in der Version 3.2.2 im Appstore gibt, dachte ich mir und konnte nicht beurteilen, welches der 3 Teams die beste Aufgabenstellung hatte.

Ob es wohl schwieriger war, das Zimmer mit einem Budget von 5.000,00 Euro oder so günstig wie möglich einzurichten oder einfach, ohne auf das liebe Geld zu achten, eine Auswahl treffen zu können. Da haben es meine Besitzer mit mir echt leicht, denn ich stehe jederzeit zum Festpreise der Flatrate, ohne Zusatzkosten zur Verfügung. Besonders gefreut habe ich mich, dass ich auch dabei sein durfte, als sich der nette kanadische Austauschschüler Wolfi auf der Suche nach einer Unterkunft, bei uns vorstellte. Mit vollem Einsatz und handfesten Argumenten versuchte jedes Team die Vorzüge seines Zimmers und der ausgewählten Einrichtung zu begründen. Nach einer technischen Geschichte, die zum Nachdenken anregen sollte, hatten meine Besitzer wieder mehr Zeit für mich und schenkten mir den restlichen Abend hindurch in geselliger Runde immer wieder ihre Aufmerksamkeit.

Am Samstagmorgen weckte ich mit meinem schrillen Klingelton alle und bei vielen war ich das Erste, was sie nach dem Aufwachen berührten. Die Finger strichen über meine Oberfläche und die kaum geöffneten Augen ruhten auf mir, bis Tobi den Countdown zur Morgenrunde („Wer oder Was bin ich…?“) und zum Frühstück zählte. Ich war glücklich, als wir nach einer kurzen Vorbereitungszeit und Einführungsinfos zum Tagesprogramm „Hast Du´s schon oder brauchst Du´s noch?“, endlich in Ansbach ankamen. Hier in der Stadt war der Netzempfang wieder perfekt und ich konnte wie gewohnt auf eigene Faust Kontakt zu allen möglichen Internetseiten halten. Das freute auch meine User und so konnte schnell gecheckt werden, was in der Zwischenzeit die Freunde von ihren Smartphones aus auf Facebook gepostet hatten. Als das Programm mit einer Unterschriften-Sammel-Aktion zur „Einführung des Jedermannsrechts in Deutschland“ im Ansbacher Brückencenter startete, war ich ganz nah dabei. Gedankenverloren wurde ich die meiste Zeit in der Hand gehalten und spürte, dass meine Nähe Halt gab. Egal, wer gerade einen Passanten angesprochen hatte, oder wen es vom „Jedermannsrecht“ zu überzeugen galt, ich wurde nicht länger als unbedingt nötig aus den Augen gelassen. Ich glaube, dass ich das Gefühl geben kann, auf eine Art mit der Welt verbunden zu sein, die oft interessanter erscheint, als das, was gerade erlebt wird.

Als die 30 Minuten Unterschriftensammeln beendet waren, gab es für jedes Team die Aufgabe, sich in einem Geschäft für ein hochpreisiges Produkt (Uhr, Handy, TV) zu interessieren und sich ausführlich beraten zu lassen, was im Anschluss auch auf einem Bogen zu bewerten war. Nach kurzer Stärkung und frischer Luft am Kaufhausparkplatz konnte das Nachmittagsprogramm starten. Voller Spannung zogen alle die Kluft an, um die gleiche Unterschriften-Sammel-Aktion erneut für 30 Minuten durchzuführen und evtl. Unterschiede festzustellen. Auch ich fühlte mich im Pfadfinderhemd gut, denn ab jetzt musste ich den Tag nicht mehr in einer engen, dunklen Jeanshosentasche verbringen, sondern konnte in der weiten Brustasche des Hemdes den Nachmittag miterleben. Mir fiel sofort auf, dass mehr Gäste des Einkaufzentrums auf uns aufmerksam wurden und auch einige uns direkt ansprachen. Durch das optisch ausgefallene Erscheinungsbild und die Erklärung, dass wir von den Pfadfindern uns für die Einführung dieser guten Sache einsetzten, konnten alle selbstbewusster und glaubwürdiger auftreten und so einige Passanten mehr davon überzeugen, für diese gute Neuerung ein Unterschrift zu leisten. Anschließend wurde die Einkaufstour vom Vormittag fortgesetzt, um das Verhalten der Verkäufer zu ermitteln, wenn nicht nur 2 Jugendliche, sondern auch eine vermutlich wohlhabende erwachsene Begleitperson zur Seite steht. Rebekka & Chris gingen mit der reichen Tante Simone zum gleichen Verkäufer, um sich über ein weihnachtliches Smartphone-Geschenk zu informieren. Wolfi begleitete Jonas & Max bei einer äußerst umfangreichen Beratung zum richtigen Fernsehgerät und Michi & Maxi wurden beim Uhrenkauf im Juweliergeschäft von Tobi unterstützt, der ja seinen Geldbeutel bekanntlich immer mit einer Kette sichert  😉  Abschließend wurden wieder Bewertungsbögen ausgefüllt. Wir beendeten unsere Aktionen mit vielen Erfahrungen im Gepäck und wurden für den Nachhauseweg mit einer weiteren Aufgabe betraut, die auch mich etwas stutzig machte.

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Ich erinnerte mich, dass wir in der vergangenen Gruppenstunde den Film „Taste the Waste“ angeschaut hatten. Damals war ich völlig enttäuscht, dass alle gemeinsam in einem dunklen Kellerraum an die Wand starrten, genauso gut hätte man diesen Film mit meiner Hilfe herunterladen können, um ihn auf mir zu schauen. Nicht einfach nur mein großes Retina-Display, dass eine Pixeldichte bietet, bei der das menschliche Auge keine einzelnen Pixel mehr erkennen kann, ist von großartiger Qualität, sondern auch meine Farben sind hervorragend und deshalb sieht alles unglaublich lebendig und realistisch aus. Doch ich wollte ja noch von der neuen Aufgabe, besser gesagt von der Herausforderung. erzählen, bei der ich meine Unser überraschender Weise nicht unterstützen konnte. Sie waren diesmal ganz auf sich allein gestellt und es ging ums Überleben oder besser gesagt: „Um die Wurst“. Im nächst gelegenen Supermarkt wurde unsere Rückfahrt unterbrochen und dort sollte nach Lebensmitteln gefragt werden, die bei Ladenschluss aussortiert und weggeworfen werden. So konnten wir überraschender Weisen bei 4 verschiedenen Läden einige noch wirklich gute Lebensmittel mitnehmen und alle waren überrascht, welch gutes Abendessen (Pizzabrötchen, Semmelknödel mit Putenpilzrahmsoße und gemischtem Salat, Bananenmilch) wir aus den für den Müll bestimmten, Lebensmitteln kochen konnten  –  und auch wie viel Spaß es gemacht hat gemeinsam in der Küche zu stehen und kreativ zu sein. Ich verbrachte das restliche Wochenende wieder auf dem Fensterbrett im Schlafsaal des fast von der Außenwelt abgeschnitten kleinen Ortes Ostheim, um mit viel Mühe und Kraft wenigstens ab und zu einen kurzen Kontakt zum weit entfernt gelegen Sendemasten aufzubauen, während sich meine User in geselliger Runde bei Musik und Gesang bis tief in die Nacht hinein sichtlich wohl fühlten.

Wer diesen Bericht bis zu dieser Stelle gelesen fragt sich, ob ich als Smartphone den Wendelsteiner Pfadis gehöre, oder gehören die Pfadis als meine User etwa mir? Diese Frage sowie viele Eindrücke und Erfahrungen vom Samstag, konnten die gesamte Pfadigruppe am Sonntagmorgen beim gemütlichen Brunch noch einmal intensiv reflektieren.

„Hast Du´s schon oder brauchst Du´s noch…? – Statussymbole wie Handy, PC, Spielkonsole, Kleidung, Geld…..“ Wie wirken andere auf mich? An was werde ich gemessen?
Nach der üblichen Aufräum-  und Putzaktion ging´s wieder heim und jetzt wollt ihr sicherlich noch gerne wissen, ob´s dort zuerst an die Spielkonsole ging oder der PC hochgefahren wurde, damit ich alle aktuellen Updates übertragen konnte. Eines ist klar, ich weiß viel, doch alles verrate ich nicht …!